Wetter-Besonderheiten in Unterwössen
Alle Texte und Bilder auf dieser Seite: Jan Lyczywek


Hang
Warum geht der Hang?
Es gibt drei verschiedene Mechanismen, die den Hang gehen lassen können: Taleinwind, überregionaler Wind und einfließende Kaltluft.

Hangaufwind durch Taleinwind

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Für die überwiegende Zahl der guten Hangwindtage ist das Talwindsystem des Achentals verantwortlich. Dazu brauchen wir zunächst einmal einen großräumig guten Thermiktag mit ungestörter Sonneneinstrahlung. Die Thermik über den Bergen wird an so einem Tag früher einsetzen, stärker sein und höher hinaufreichen als über dem Flachland – kurz, über den Bergen wird die Thermik besser sein als im Flachland. Die beste Thermik gibt es an den höchsten Bergen nahe des Alpenhauptkamms sowie über den langen Südhängen der inneralpinen Längstäler (z.B. Pinzgau) und über den steilen Felswänden der Kalkalpen (z.B. Wilder Kaiser, Loferer Steinberge etc.). Dort wird eine Menge Luft nach oben gepumpt, entlang der warmen Hänge und weiter hinauf in die Bärte darüber. Der Luftmassen-Nachschub für diese inneralpine Thermik funktioniert im Wesentlichen über jene Täler, die eine möglichst direkt Verbindung vom thermikschwächeren Flachland zu den thermikstarken Bergen bilden. In solchen Tälern strömt die Luft also taleinwärts, ins Gebirge herein. Deshalb nennt man diese Strömung auch Talwind oder, präziser, Taleinwind. Typisch für den Taleinwind ist, daß er sein Geschwindigkeitsmaximum sehr weit unten am Talboden hat, in vielleicht 100-300 Metern über dem Talgrund. Der Taleinwind setzt immer erst einige Stunden nach Thermikbeginn ein – die Thermik im Hochgebirge muss ja erst einmal so stark werden, daß sie ihren Bedarf an Luftmassen-Nachschub nicht mehr aus ihrer unmittelbaren Umgebung decken kann.

Man kann auch sagen: die inneralpine Thermik erzeugt in den Tälern ein „inneralpines Hitzetief“. In den Verbindungstälern vom Flachland zu den Thermikbergen besteht also ein Druckgefälle in dieses Hitzetief hinein. Dieses Druckgefälle treibt die Taleinwinde in den Verbindungstälern an. Die Taleinwinde versuchen also, das inneralpine Hitzetief aufzufüllen, während die inneralpine Thermik das Hitzetief aufrechterhält.

Unser Fluß, die Tiroler Ache, entspringt etwa 45 km südlich vom Flugplatz am Pass Thurn und fließt von dort ziemlich geradeaus nach Norden in den Chiemsee. Deshalb bildet das Achental eine direkte Verbindung, fast auf kürzestem Wege, vom oberbayerischen Flachland Richtung Süden in die Thermikgebiete des Pinzgaus und der Hohen Tauern. Damit ist das Achental ein geradezu idealer Strömungskanal, um die inneralpine Thermik mit Luftnachschub aus dem thermikschwächeren Flachland zu versorgen. Entsprechend stark ist das Taleinwind-System des Achentals.

Nun ist ein solcher Taleinwind für sich genommen segelfliegerisch ziemlich nutzlos. Per Definition weht der Taleinwind taleinwärts, und damit talparallel. Er hat keinen Anlass, links und rechts an den Talflanken irgendwelchen Aufwind zu erzeugen. Nebenbei verwirbelt er die Luft unten im Talgrund, macht jedes zarte Thermikbläschen dort zunichte und räumt sämtliche am Talboden vielleicht vorhandene Warmluft ab, um sie der (ohnehin schon starken) inneralpinen Thermik zukommen zu lassen.

Hangaufwind erzeugt der Taleinwind nur in zwei Fällen:
1. wenn ein Hang, ein Ausläufer, eine Rippe quer im Tal herumsteht und der Taleinwind möglichst rechtwinklig darauftrifft, so dass er das Hindernis überströmen muss.
2. wenn das ganze Tal eine Kurve oder einen Knick macht. Die Hänge auf der Außenseite dieser Kurve versuchen, die Richtung des Taleinwindes umzulenken; dabei schießt der Wind ein Stück die Hänge der Außenkurve hinauf.
Für beide Fälle verwenden die Gleitschirm- und Drachenflieger den treffenden Begriff „Prallhang“, weil der Taleinwind hier auf den Hang prallt.

Unsere Gscheurer Wand ist eine Mischung aus beiden Prallhang-Typen: einerseits steht sie, besonders ihr östlichster, niedrigster Teil (die Balsberg-Nase), dem von Marquartstein geradeaus nach Oberwössen strömenden Neben-Ast des Taleinwindes als Rippe quer im Wege. Andererseits lenkt die Gscheurer Wand den von Marquartstein her ins Tal hineinströmenden Haupt-Ast des Taleinwindes um in Richtung Schleching, bildet hier also die Außenkurve einer Talbiegung. Das ist übrigens auch der Grund dafür, warum der Hang westlich der Wendemarke Gipfelkreuz nicht mehr geht: hier ist das Umlenken beendet, der Taleinwind strömt hier bereits wieder hangparallel. An den Windsäcken an der Winde und am Start kann man das sehr schön sehen.

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Ob der Taleinwind aber wirklich nutzbaren Hangaufwind erzeugt, hängt nicht nur von der Windgeschwindigkeit ab. Wichtig ist auch die Mächtigkeit der Taleinwind-Schicht. An guten Thermiktagen, an denen der Hang gut und hoch trägt, erreicht der Talwind bei Unterwössen erfahrungsgemäß etwa 500 Meter Schichtdicke am späten Nachmittag; der Hang kann dann durchaus auf 700-800 Meter über Platz gehen.

Leider ist die Stärke des Bodenwindes kein Maß für diese Mächtigkeit der Taleinwind-Schicht. Im Gegenteil: äußere Einflüsse können die Schichtdicke begrenzen, eine tiefliegende Inversion zum Beispiel oder ein überregionaler Wind aus entgegengesetzter (also südlicher bis westlicher) Richtung. Unter einem solchen Deckel bleibt dem Taleinwind für die von ihm herangeführte Luftmasse nur noch ein verkleinerter Strömungskanal. Am Boden steigt dann die Windgeschwindigkeit, gerade weil die Mächtigkeit der Taleinwind-Schicht reduziert ist. An solchen Tagen kann man am Hang verzweifeln: am Boden bläst es wie blöd, die Windsäcke an Winde und Starthäuschen stehen waagerecht, „es muss doch gehen“ - und doch trägt der Hang nur schlecht und vor allem nicht hoch.

Früher wurde der Taleinwind des Achentals oft als „Chiemseewind“ bezeichnet. Das ist zunächst nicht falsch, da jeder Wind nach der Richtung benannt wird, aus der er weht. Aus dem Achental betrachtet, scheint der Taleinwind ja vom Chiemsee herzukommen. Dennoch ist die Bezeichnung irreführend, denn der Chiemsee ist eben nicht Ursache des Taleinwindes. Ursächlich ist wie oben beschrieben ausschließlich die starke Thermik im Hochgebirge. Nun könnte man argumentieren, daß der kühle See ja eine Absinkbewegung erzeugt und so das Taleinwindsystem von seiner Seite aus unterstützt. Dass dieser Beitrag vernachlässigbar ist, sieht man an den nicht minder starken Taleinwindsystemen von ins Flachland führenden Alpentälern ohne See vor dem Talausgang, wie etwa dem Inntal. Vor der fortschreitenden Verlandung des Chiemsees brauchen wir uns also auch langfristig nicht zu fürchten.

Abends hält der Taleinwind oft lange an, obwohl es im Platzbereich längst keine Thermik mehr gibt. Das liegt zum einen daran, dass die Thermik im Hochgebirge, die ja den Taleinwind antreibt, abends deutlich später einschläft als die Thermik der niedrigeren Alpenrandberge. Aber auch noch lange nach endgültigem Thermikende fließt die einmal in Bewegung gesetzte Luft aufgrund ihrer eigenen Massenträgheit weiter taleinwärts.

Hangaufwind durch überregionalen Wind

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Natürlich kann jeder Hang auch ohne lokales Taleinwindsystem funktionieren. Auch der überregionale Wind kann Hangaufwind erzeugen, wenn er stark genug ist und möglichst rechtwinklig auf den Hang trifft. Unter überregionalem Wind verstehen wir die von den großen Hochs und Tiefs verursachten Windströmungen über mehrere hundert Kilometer, wie man sie z.B. aus der Druckverteilung einer europaweiten Wetterkarte erkennen kann. Man nennt den überregionalen Wind manchmal auch synoptisch-skaligen Wind.

In den Mittelgebirgen dürfte der überregionale Wind der wichtigste Antrieb für Hangaufwind sein, da die Mittelgebirge meist keine ausreichend starken Taleinwindsysteme erzeugen. Auch bei einzeln im Flachland liegenden Hängen ist überregionaler Wind der mit Abstand wichtigste, oft sogar einzige Antrieb. Aber auch in den Alpen werden große Strecken (1000 km und mehr) im durch überregionalen Wind erzeugten Hangaufwind geflogen, nämlich bei Nordföhn oder Südföhn (allerdings gibt es bei diesen Wetterlagen oft zusätzlich zum Hangaufwind noch Leewellen; ein anderes Thema).

Unser Unterwössener Hang kann auch durch überregionalen Wind zum Funktionieren „gezwungen“ werden. Dazu muss der Wind durch den Taleingang hindurch auf unseren Hang treffen. Das müsste der Orographie nach bei überregionalem Nordost am besten funktionieren. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass die Gscheurer Wand auch gut gehen kann, wenn im Alpenvorland draußen reiner Ostwind weht. Der Hangfuß des Alpenrandes von Bergen bis Marquartstein beschreibt eine sanfte Kurve, die den Ostwind offenbar recht effizient in den Taleingang hineinbiegt; die Ostflanke der Hochplatte hilft von der anderen Seite mit. Außerdem sind Ostlagen bei uns meist vom Absinken in einem Hochdruckgebiet angetrieben („antizyklonal“), so daß antizyklonaler Ostwind bodennah am stärksten ist (da, wo wir ihn für Hangaufwind brauchen). Nachteilig bei Ostlagen ist allerdings die typischerweise ziemlich stabile Luftmasse aus dem Hochdruckgebiet. Stabile Luft hat keine große Lust, den Hang als Aufwind zu überströmen. Trotz relativ großer Windgeschwindigkeiten am Boden geht der Hang deshalb bei Ost manchmal nur vergleichsweise schwach und/oder nur bis in mäßige Höhen.

Generell sieht die Wetteroptik an solchen Tagen, an denen überregionaler Nord-, Nordost- oder eben Ostwind unseren Hang „by brute force“ zum Gehen zwingt, nicht besonders einladend aus. Je mehr Nordkomponente der Wind hat, desto ausgeprägter sind oft Nordstau-Effekte. Aber auch bei Ostlagen klemmt entlang des Alpenrandes oft eine bleigraue, tiefe Stratusschicht unter der Absinkinversion des Hochs. Wenn der Hang an solchen Tagen geht, kommt das für viele Piloten angesichts der gruseligen Wetteroptik oft etwas überraschend.

Im Gegensatz zum thermisch verursachten Taleinwind ist der überregionale Wind weitgehend unabhängig von der Tageszeit. Deshalb kann der Hang durch „brute force“, also durch überregionalen Wind angetrieben, auch schon frühmorgens gehen.

Hangaufwind durch einfließende Kaltluft

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Der dritte Mechanismus zur Erzeugung von Hangaufwind ist der mit Abstand seltenste, aber vielleicht interessanteste. Man kann ihn beispielsweise vor einer herannahenden Kaltfront oder auch vor einer sommerlichen Gewitterfront beobachten. Der überregionale Wind kommt dabei üblicherweise aus westlichen Richtungen; vor der Front eher südwestlich, danach eher nordwestlich. Die Front rückt langsam von West nach Ost vor, im hindernisfreien, flachen Alpenvorland meist etwas schneller als in den Bergen, wo sie durch die Rauhigkeit gebremst wird. Entlang der Frontlinie fallen starke Niederschläge aus den einzelnen Schauerzellen. Der Regen kühlt die Luft, durch die er hindurchfällt, durch Verdunstung ab. Die so abgekühlte und damit dichtere Luft fällt mit dem Regen herab. Dann prallt die Kaltluft auf den Boden und schießt als flache Kaltluftzunge am Boden entlang der eigentlichen Front voraus, ebenfalls von West nach Ost. Über hindernisfreiem Flachland kann diese Kaltluftzunge weit vorauslaufen. Im bayerischen Alpenvorland hindert der unvermittelt aus dem Flachland aufragende Alpenrand als „Leitplanke“ die Kaltluftzunge zusätzlich noch daran, sich seitlich nach Süden auszubreiten. Dieser „Leitplankeneffekt“ der Alpenrandberge begünstigt das Vorauseilen der Kaltluft.

Wo immer diese „Leitplanke“ eine Lücke hat, wo immer sich also ein Taleingang aus den Randbergen ins Flachland öffnet, fließt die Kaltluft aus dem Vorland hinein. Die schwere Kaltluft verhält sich dabei wie Wasser, das im Vorland ausgekippt wurde und nun den Alpenrand wie einen Rinnstein von West nach Ost entlangläuft.

Ins Achental kann diese Kaltluft aber nicht direkt von Westen her hineinfließen. Der Sattel zwischen Geigelstein und Kampenwand, die Dalsenalm, ist dafür viel zu hoch. Also schießt die flache, schwere Kaltluftzunge auf der Nordseite von Kampenwand und Hochplatte vorbei und flutet das Achental von Norden her durch den offenen Taleingang.

Diese Kaltluftzunge ähnelt in drei Punkten dem Taleinwind:
1. Sie fließt talparallel, folgt also den Windungen und Kurven des Tales.
2. Sie hat, da sie kalt und damit schwer ist, ihr Geschwindigkeitsmaximum sehr bodennah.
3. Sie erzeugt Hangaufwind an denselben Prallhängen wie der Taleinwind.
Der große, prinzipielle Unterschied: der Taleinwind wird von der inneralpinen Thermik weiter talaufwärts, also von der „Saugseite“ her, angetrieben. Die ins Tal flutende Kaltluft hingegen wird von der „Druckseite“ her angetrieben.

Aus Segelflieger-Sicht ist folgendes typisch für den von ins Tal flutender Kaltluft angetriebenen Hangaufwind:

  • Der überregionale Wind ist eindeutig West oder Südwest. Vor Ankunft der Kaltluftzunge ist es daher am Platz oft leicht rückenwindig, der Hang geht schlecht bis gar nicht oder ist sogar leicht leeig.

  • Mit dem Hereinfluten der Kaltluft ins Tal setzen starker, oft auch böiger Gegenwind auf der 06 und guter Hangaufwind sehr unvermittelt und plötzlich mit voller Stärke ein – ganz schön überraschend!

  • Der Wind in der Höhe bleibt dabei unverändert West oder Südwest, da die eigentliche Front ja noch weit weg ist.

  • Oft sorgt die Kaltluft nicht nur für sehr starken Hangaufwind, sondern schiebt sich auch großflächig unter die im Tal lagernde wärmere Luft und hebt diese aus. Das ist sehr spaßig, da es plötzlich nicht mehr nur am Hang, sondern überall im Tal steigt!

  • Leider hält diese Herrlichkeit nicht lange: nach 20-30 Minuten ist das gesamte Talbecken mit Kaltluft verfüllt. Der Hebungsvorgang ist abgeschlossen.

  • Wenn die Kaltluftschicht sehr mächtig ist, kann sie auch noch die weiter südlich gelegenen, höheren Talbecken flußaufwärts verfüllen. Ansonsten kommt die Strömung ins Tal hinein zum Erliegen, sobald das Tal vollgelaufen ist. Auch der Hangaufwind schläft damit ein.

  • Schließlich kommt von Westen her irgendwann die eigentliche Front mit Regen an.

  • En miniature gibt es dasselbe Phänomen übrigens auch, wenn statt einer ganzen Front nur ein einzelner kräftiger, stationärer Schauer, geschickt im Taleingang postiert, eine solche Kaltluftzunge erzeugt.

Obwohl das Phänomen selten ist, sollte man es kennen und vor allem erkennen. Der Lohn dafür sind zwar keine weiten oder lang andauernden Flüge, aber mit die lustigsten, die man im Talkessel erleben kann. Beispielflug: https://www.onlinecontest.org/olc-3.0/gliding/flightinfo.html?dsId=4938095


Westwind
Warum kann Westwind überhaupt ein Problem sein?

Unsere Bahn ist 06/24 ausgerichtet, parallel zur Talachse. Das Tal kanalisiert alle Windströmungen praktisch talparallel. Diese Kanalisierung wird am Flugplatz noch verstärkt durch den Hang auf der einen und die Waldkante auf der anderen Längsseite. Dadurch haben wir am Platz so gut wie nie Crosswind, sondern den Wind fast immer parallel zur Bahn; entweder aus westlicher (Wind auf der 24) oder aus östlicher (Wind auf der 06) Richtung. Leider können wir nur in Richtung 06, also nach Osten, Windenstarts durchführen. Auch F-Schlepps führen wir bevorzugt auf der 06 durch, die weniger Hindernisse und bessere Notlandemöglichkeiten bietet. Wind auf der 24 bedeutet also Rückenwind für die "normale" Startrichtung 06. Starker Rückenwind kann Segelflugstarts beeinträchtigen oder ganz unmöglich machen.

Ab welcher Windgeschwindigkeit macht Westwind Probleme?
Pauschal ist das natürlich schwierig zu sagen. Prognosen des Bodenwindes kann man im Gebirge getrost vergessen, wenn man nicht sehr genau weiß, wie sie zustandekommen und auf welchem Rechenmodell sie basieren. Als grobes Kriterium eignet sich besser die prognostizierte Windgeschwindigkeit auf 1500 m MSL. Diese Höhe entspricht etwa dem mittleren Kammniveau der das Unterwössener Tal umgebenden Berge, außerdem findet man dieses Höhenniveau in vielen Wetterkarten. 1500 m MSL entspricht etwa FL050 oder 850 hPa. Bei weniger als 20 Knoten auf 1500 m MSL dominiert unten im Tal an thermischen Tagen meist das Taleinwind-System, das von der inneralpinen Thermik angetrieben taleinwärts und damit am Flugplatz aus östlicher Richtung auf der 06 als Gegenwind weht. Ab etwa 20 Knoten auf 1500 m MSL kann Westwind als störender Rückenwind durchgreifen.

Führen starke Westlagen also immer zu Rückenwind am Boden?
Nein, zum Glück nicht. Zwei verschiedene Mechanismen schützen uns vor durchgreifendem Westwind:

1. Schutz durch Berge
Unser Tal ist im Westen durch das hohe, breit ausladende Massiv des Geigelstein (Gipfel 1808 m) und im Nordwesten durch die Kampenwand gut geschützt. Auch der Pass zwischen beiden, der Dalsen-Sattel, lässt nicht wirklich viel Westwind ins Unterwössener Tal durch, zumal er auch immerhin 1050 Meter hoch ist. Großräumig betrachtet kommt noch hinzu, dass der Westwind auf dem Weg zu uns bereits eine lange Strecke über den Bergen des bayerischen Alpenrandes zurückgelegt hat. Diese etwa 1500-2000 Meter hohen Berge, mit ihrem stark in Nord-Süd-Richtung strukturierten Relief, bremsen den Westwind in seinen unteren Schichten deutlich. Erst über Kammniveau erreicht der Westwind seine volle Geschwindigkeit. Etwas weiter nördlich hingegen, im Flachland draußen, fehlt diese Reibungsbremse. Deshalb kommen dort bei Westlagen größere Windgeschwindigkeiten aus der Höhe viel tiefer herunter. Das ist schon am Chiemsee draußen der Fall.

2. Schutz durch Kaltluftsee
Nachts strahlt der Boden seine restliche Wärmeenergie aus. Dadurch kühlt der Boden ab. Besonders gut funktioniert das in sternklaren Nächten, wenn es keine Wolken gibt, die diese Wärmestrahlung zum Boden zurückreflektieren. Die ausgekühlten Bergflanken kühlen nun ihrerseits die unmittelbar an ihnen anliegende Luftschicht ab. Die kälter und damit schwerer gewordene Luft rutscht an den Berghängen entlang hinunter ins Tal. Dort sammelt sie sich zu einem großen Kaltluftsee. Der kann am Ende einer sternklaren Nacht durchaus mehrere hundert Meter dick geworden sein. Die Luft in diesem Kaltluftsee ist morgens erstmal sehr stabil geschichtet; schließlich hatte sie die ganze Nacht Zeit, sich in den thermisch stabilsten Zustand umzulagern. Das ist übrigens auch der Grund dafür, warum man im Gebirge morgens fast nie direkt aus der Winde Thermik findet, und warum man bei einem vormittäglichen Absaufer aus dem F-Schlepp unter 600 Meter über Grund so selten wieder wegkommt: Still ruht der (Kaltluft-)See.

Dieser Kaltluftsee hat bei Westlagen aber einen großen Vorteil: er schützt uns vor durchgreifendem Westwind. Typischerweise nämlich ist die von Westlagen mitgebrachte Luftmasse recht mild. Insbesondere im Herbst ist die auf kurzem Wege vom wärmespeichernden Meer herangeführte Luftmasse oftmals wärmer als der über Nacht im Tal zusammengeflossene Kaltluftsee. Die milde Westwind-Luft in der Höhe ist also leichter als die unten im Talgrund mehr oder minder ruhende, schwere Kaltluft. Deswegen kann der Westwind nicht zum Talboden durchgreifen, solange dort die Kaltluft liegt.

Exkurs: Ausfließende Kaltluft, Talauswind, und ihre Benennungen
Die schwere Kaltluft folgt natürlich ihrerseits dem Talgefälle und fließt langsam talauswärts. Dieses Ausfließen der Kaltluft nennt man auch „Bergwind“ oder, treffender, „Talauswind“. Ausfließen tritt an allen Vormittagen mit Kaltluftsee auf und ist weitgehend unabhängig von einem eventuell oberhalb des Kaltluftsees vorhandenem überregionalem Wind (z.B. Westwind). Es handelt sich also um zwei voneinander verschiedene Strömungen mit ganz unterschiedlichem Antrieb. Bei uns am Flugplatz kann man Talauswind und Westwind jedoch leicht verwechseln: auch die talauswärts abfließende Kaltluft kommt – lokal am Platz – aus westlicher Richtung, da das Tal hier zufällig in West-Ost-Richtung abfällt. Entsprechend führt auch der Talauswind zu lokalem Rückenwind am Flugplatz. Dennoch darf man ihn aber nicht mit dem überregionalen Westwind verwechseln. Schon im nächsten Dorf talabwärts, in Marquartstein, bläst der Talauswind nämlich aus – lokal – südlicher Richtung, weil er dem nach einer Talbiegung hier nun von Süd nach Nord abfallenden Tal auswärts folgt; ebenso ein Stück talaufwärts vom Flugplatz an der Engstelle des Klobensteins.
Um Verwechselungen zu vermeiden, hat es sich daher eingebürgert, den Begriff „Westwind“ nur für einen überregional aus westlicher Richtung wehenden Wind zu verwenden, wie man ihn auf der Größenskala der Wetterkarten findet. Gleiches gilt entsprechend natürlich für alle anderen nach Himmelsrichtungen benannten Winde (Nordwind, Südwestwind, etc...): bei ihnen handelt es sich immer um überregionale Strömungen. Die Windrichtungen des lokalen Talwindsystems hingegen benennt man niemals nach Himmelsrichtungen, sondern mit den Begriffen taleinwärts/Taleinwind bzw. talauswärts/Talauswind.

Und warum greift der Westwind dann trotzdem manchmal zum Boden durch?
Die beiden Schutzmechanismen (Schutz durch Berge / Schutz durch Kaltluftsee) können leider beide ausgehebelt werden, und zwar durch Konvektion, vulgo: Thermik. Aufsteigende Warmluftblasen tragen Luft aus dem Tal nach oben in die Westwind-Schicht über Kammniveau. Im Gegenzug entstehen ausgleichende Abwinde, die Luftpakete aus der Höhe mit herabnehmen bis an den Talboden. Diese Luftpakete hatten sich zuvor in der Höhe mit dem dort herrschenden, überregionalen Westwind mitbewegt. Diesen (horizontalen) Bewegungsimpuls verlieren sie nicht so schnell, auch dann nicht, wenn sie vom Abwind ins Tal heruntergerissen werden. Die Massenträgheit der mit heruntergerissenen Luftmassen führt dazu, dass sie „ihren“ Westwind nach unten mitbringen. Man sagt auch: „Der Westwind wird von der Konvektion(Thermik) zum Boden heruntergemischt.“

Kann man das vorhersagen?
Da Konvektion (Thermik) ein örtlich und zeitlich ziemlich chaotischer Prozess ist, sind solche Westwindböen als Einzelereignisse nicht vorhersagbar. Man kann aber anhand der Thermikprognose grob abschätzen, ab wann die Gefahr durchgreifender Westwindböen besteht. Zum einen muss es überhaupt Thermik geben. Dazu ist eine entsprechende Luftschichtung nötig. Nun sind die Luftmassen, die der Westwind oben in der Höhe mitbringt, ihrerseits typischerweise recht labil geschichtet und damit der Thermikentwicklung durchaus zuträglich. Bei ausreichender Sonneneinstrahlung setzt die Thermik an den höheren Hängen, die in die vom Westwind in der Höhe mitgebrachte Luftmasse hineinragen, daher tendenziell recht früh und kräftig ein. Man kann dann früh kleine Gipfelwölkchen beobachten, die vom starken West zersaust und schnell stromab getrieben werden. Der Schutz durch die umgebenden Berge ist damit geschwächt. Der Kaltluftsee unten im Tal ist jedoch, wie schon erwähnt, morgens zunächst sehr stabil geschichtet. Obendrein ist die Oberfläche des Kaltluftsees, mit der kalten Luft darunter und der wärmeren, milden Westwindluft darüber, nichts anderes als eine Inversion. Man nennt sie auch Talinversion. Selbst wenn es unten im Kaltluftsee schwache Thermik vom Talboden geben sollte, so bliebe diese doch in der Talinversion stecken.

Die Talinversion verhindert also eine Zeitlang jegliche Ankoppelung des (ohnehin bestenfalls schwachen) thermischen Geschehens unten im Kaltluftsee an die kräftigere Thermik darüber. Es dauert lange, bis die Kaltluft teils aus dem Tal ausgeflossen, teils von der beginnenden Sonneneinstrahlung durchgeheizt ist. Solange noch keine Thermik vom Talboden entlang der Sonnenhänge bis nach oben in die Westwindschicht über Kammniveau durchgeht, so lange wird es auch keine von oben aus dem Höhenwind bis nach unten an den Talboden reichenden, ausgleichenden Abwinde geben, die den Westwind mit herab bringen.

Tendenziell kann man also folgende Faustregeln annehmen:
Frühes Durchgreifen bei:
- großen Windgeschwindigkeiten bereits knapp über Kammniveau
- dünnem Kaltluftsee, also nach kurzer und/oder bedeckter Nacht
- schnell ausgeheiztem Kaltluftsee, also sonnigem Tag
- guter Thermikprognose
Spätes Durchgreifen bei:
- mäßigen Windgeschwindigkeiten auf Kammniveau und nur allmählicher Zunahme nach oben
- mächtigem Kaltluftsee, also nach langer (Herbst!) und sternklarer Nacht
- spät oder gar nicht ausgeheiztem Kaltluftsee, also bedecktem Tag
- schlechter Thermikprognose
Die Variante mit dickem Kaltluftsee hat allerdings einen Pferdefuß: zwar schützt der Kaltluftsee dann besonders wirksam vor durchgreifendem Westwind, jedoch sorgt das Abfließen der Kaltluft talauswärts seinerseits am Flugplatz für Rückenwind, wie im Exkurs oben schon beschrieben. An solchen Tagen gibt es manchmal nach Ende des „normalen“ morgendlichen Rückenwindes aufgrund ausfließender Kaltluft und vor Einsetzen des Rückenwindes aufgrund thermisch heruntergemischten Westwindes eine fliegbare Pause. Manchmal aber geht auch der eine Rückenwind unmerklich in den anderen über, und man kann es den dadurch ganztags am Boden festgehaltenen Piloten nicht recht verübeln, dass sie für derart feinsinnige Unterscheidungen der beiden Mechanismen dann nurmehr gezügelte Begeisterung aufbringen. Eher fragen sie sich:

Warum ist Rückenwind durch heruntergemischten Westwind denn eigentlich so gefährlich?
Der „normale“ morgendliche Rückenwind durch das Abfließen der während der Nacht im Tal zusammengeflossenen Kaltluft (Talauswind) ist gleichmäßig, konstant und wegen der stabilen Schichtung des Kaltluftsees sehr turbulenzarm, fast laminar. Da sein Antrieb einfach das gegebene Talgefälle ist, bleibt er ganz böenfrei. Wenn das Kaltluftreservoir allmählich abgeflossen ist, flaut der Talauswind allmählich und kontinuierlich ab.

Ganz anders jedoch der durch die thermische Konvektion heruntergemischte Westwind: die ersten einzelnen Luftballen, die von den Abwinden bis an den Talboden heruntergerissen werden, bringen schlagartig die fast unverminderte Windgeschwindigkeit des Höhenwindes über Kammniveau mit an den Talboden. Rückenwind durch heruntergemischten Westwind setzt also hart, unvermittelt, zeitlich und örtlich nicht vorhersagbar ein. Die Gefahr liegt dabei nicht nur in den durchaus großen Windgeschwindigkeiten, sondern vor allem in ihrem plötzlichen Einsetzen. Nachdem so ein Luftballen als Westwindböe durchgerauscht ist, kehrt oft minutenlang trügerische Ruhe ein – bis das nächste Luftpaket aus der Höhe die nächste, ebenso plötzliche Böe bringt. Aus diesem Grunde sind wir vor und während des beginnenden Durchgreifens äußerst vorsichtig und unterbrechen oft den Startbetrieb. Gerade in längeren ruhigen Phasen ist das für weniger erfahrene Piloten oft schwer verständlich; aber die nächste Böe kann jederzeit durchgehen.

Paradoxerweise wird der durch heruntergemischten Westwind hervorgerufene Rückenwind etwas weniger gefährlich, sobald sich der Westwind als kontinuierliche Strömung bis zum Boden durchgesetzt hat, was nach einiger Zeit zunehmender thermischer Durchmischung häufig passiert. Immerhin ist dann die Windgeschwindigkeit in etwa konstant und somit besser einschätzbar. Ist sie nicht zu groß, sind Starts erfahrener Piloten manchmal wieder möglich. Unangenehm turbulent ist es bei solchen Verhältnissen jedoch immer, da die aus der Höhe herabgemischte Luftmasse ja von vornherein recht labil ist. Die thermische Aktivität am Talboden tut ein Übriges dazu.

Bleibt das dann so für den Rest des Tages?
Erfahrungsgemäß meist leider ja: wenn sich der Westwind aus der Höhe einmal als kontinuierliche Strömung bis zum Boden durchgesetzt hat, dann scheint es ein gewisses Beharrungsvermögen dieses Strömungsmusters zu geben, auch wenn die Thermik sichtbar nachlässt. Allenfalls spätnachmittags oder am frühen Abend kommt es vor, dass der Westwind noch einmal gänzlich vom Boden abhebt, dann aber auch wegbleibt. Statt zuzuwarten und auf gelegentliche kurze Fenster für einzelne Starts zu hoffen, könnte es in dieser Situation lohnender sein, den ganzen Flugbetrieb auf einen Zeitpunkt am späteren Nachmittag zu vertagen.

Und wie häufig ist das ganze Problem?
Leider haben wir dazu keine eigene Statistik. Zwar ist West die häufigste überregionale Windrichtung in unseren Breiten, aber ein Großteil der Westlagen sind entweder Frontdurchgänge (die sowieso verregnet sind, so daß Rückenwind auch egal ist) oder aber immerhin so bewölkt, dass sich unter der abschirmenden Wolkendecke nicht genug Thermik bilden kann, um den Westwind an den Talboden herunterzumischen. Schließlich sitzen wir im Süden Deutschlands während der Sommermonate weit genug von den antreibenden Tiefdruckgebieten entfernt. Bei vielen Westlagen sind daher die Windgeschwindigkeiten einfach nicht groß genug, um uns die oben beschriebenen Probleme zu bereiten.


Nordstau

Was ist eine Staulage?
Drei Zutaten braucht man für eine Staulage: erstens Wind, der zweitens eine feuchte Luftmasse gegen – drittens – ein Gebirge bläst. Das Gebirge zwingt den Wind zum Aufsteigen entlang der Luvhänge. Die feuchte Luft muss sich bei diesem Aufstieg ausdehnen, denn weiter oben herrscht ja geringerer Luftdruck. Wenn sich ein Gas ausdehnen kann, verringert sich seine Temperatur (das kann man nachschlagen unter „Allgemeine Gasgleichung“ oder ausprobieren mit einem Spraydosen-Ventil). Schließlich ist die Luft im Hangaufwind so sehr abgekühlt, dass der enthaltene Wasserdampf auskondensiert, also flüssig wird. Es bilden sich Wolken (die sogenannte Staubewölkung), vielleicht regnet es sogar (Stauniederschlag).

Bei welchen Wetterlagen gibt es bei uns Staulagen?
Der Nordrand der Bayerischen Alpen zwischen Bodensee und Salzburg verläuft etwa in West-Ost-Richtung. Alle Wetterlagen mit nördlicher Windkomponente, von Nordwest über Nord bis Nordost, können also potentiell Staulagen sein, vorausgesetzt, die Windgeschwindigkeit in Höhe der Berghänge ist groß genug und die herangeführte Luftmasse ausreichend feucht. Die stärkste Hebung bringt natürlich reiner Nordwind, weil er im rechten Winkel auf den Alpenrand trifft. Am häufigsten sind jedoch Nordwest-Staulagen nach einem Kaltfrontdurchgang.

Sollte nach einem Kaltfrontdurchgang nicht eigentlich Rückseitenwetter herrschen?
Im Prinzip ja: vor einer Kaltfront ist der überregionale Wind üblicherweise Südwest, mit Frontdurchgang dreht er zügig über West auf Nordwest hinter der Front. Im Flachland herrscht dann auf der Rückseite der Front das berühmte Rückseitenwetter mit schnellem Druckanstieg, zügiger Wolkenauflösung und – trotz anfänglich tiefer Basis – sehr guter Thermik in der labilen Kaltluft. Der frische Nordwestwind stört im Flachland nicht weiter; bei uns am Alpenrand sorgt er für eine Staulage, so dass wir vom Rückseitenwetter am Platz nichts mitkriegen, bzw. die neue Luftmasse in den Bergen erst etwa einen Tag später nutzen können. Es lohnt sich an Rückseiten-Tagen daher, einen langen F-Schlepp nach Norden oder Nordwesten hinaus in das Rückseitenwetter im Flachland zu machen. Mit etwas Abstand vom zugestauten Alpenrand (oft genügen 10-20 km) kann man dort schöne, weite Flachlandflüge machen. Der Direktkurs nach Ulm und weiter auf die Schwäbische Alb hat sich bewährt; auch verschieden große Dreiecke und Vierecke rund um die Münchner Lufträume können bei dieser Wetterlage geflogen werden.

Wo macht sich der Stau am stärksten bemerkbar?
Die Zeichnung zeigt einen Schnitt von Norden nach Süden durch die Nordalpen; vom oberbayerischen Flachland im Norden bis zum Alpenhauptkamm im Süden.

  1. Im Flachland gibt es keinen Staueffekt; Wind und Feuchtigkeit sind zwar vorhanden, aber die Berge fehlen und damit die Hebung im Hangaufwind. Je nach Feuchtigkeitsangebot schwimmen mehr oder weniger Cumuli in der Strömung mit; bei Rückseitenwetter kann es dort auch den einen oder anderen Schauer geben.

  2. Dann prallt die Luft auf den Alpenrand und wird um gut tausend Meter gehoben (das Vorland ist etwa 500 m MSL hoch, die erste Reihe der bayerischen Alpen im Mittel etwa 1500 m MSL). Diese Tausend-Meter-Stufe sorgt für die größte Hebung entlang des ganzen Weges der Luftmasse, damit für die stärkste Abkühlung und entsprechend für den ausgeprägtesten Staueffekt. Hier, an den nördlichsten ein bis zwei Bergketten des Alpenrandes, kommen bei Staulagen die größten Niederschlagsmengen zusammen. Im Radarfilm kann man diese Stauniederschläge daran erkennen, dass sie trotz der starken Nordströmung nicht mitziehen, sondern entweder kontinuierlich am Alpenrand bestehen bleiben oder (bei etwas trockenerer Luftmasse) wieder und wieder dort aufpoppen und dort bleiben. Im Gegensatz dazu ziehen die Schauerstaffeln weiter nördlich im Flachland mit der Strömung mit.

  3. Im Lee der Berge fällt die Strömung wieder etwas herunter und gerät damit wieder unter höheren Luftdruck. Dies führt zu Kompression der fallenden Luft und damit zu Erwärmung (allgemeine Gasgleichung, oder auch Fahrradluftpumpe!), im Bild symbolisiert durch die roten Pfeile. Diese Erwärmung kann zu Wolkenauflösung im Lee der Berge führen. Im Lee der ersten Bergkette merkt man davon leider meist noch nichts; überschwappende Stauwolken und -niederschläge dominieren hier. Häufig ist unser Flugbetrieb davon betroffen, wie man an der eingezeichneten Lage der DASSU sieht.

  4. Eine Bergkette weiter nach Süden in die Berge hinein fallen die Stauniederschläge schon geringer aus. Das liegt zum einen daran, dass die Stufe viel kleiner ist, um die die Luftmasse nun noch zusätzlich gehoben wird; größenordnungsmäßig vielleicht dreihundert zusätzliche Höhenmeter, von 1500 auf 1800 Meter MSL. Zum anderen ist nun schon viel weniger Feuchtigkeit vorhanden; ein Großteil davon wurde ja schon durch die erste Kette „ausgekämmt.“ Entsprechend liegt auch die Wolkenbasis der Staubewölkung im Luv der zweiten Kette sichtbar höher, und steigt in ihrem Lee nochmals an.

  5. Ähnliches wiederholt sich an der Kette der schroffen, bis über 2500 Meter steil aufragenden nördlichen Kalkalpen (Innsbrucker Nordkette, Kaiser, Loferer, Leoganger, Steinernes Meer, Tennengebirge, Dachstein...). Es kommt nicht auf die absolute Höhe der Berge an, sondern nur auf die zusätzliche Hebungsstufe und die verbleibende Feuchtigkeit in der Luftmasse. Entsprechend liegt die Basis der Stauwolken im Luv der Kalkberge wiederum etwas höher; Stauniederschläge bleiben hier oftmals ganz aus.

  6. In den langen Leehängen der Kalkberge fällt die Strömung weit herunter, wird komprimiert und dadurch erwärmt. Das führt hier zu einem regelrechten lokalen (Nord-)Föhneffekt: Die Wolkenbasis auf der Leeseite der Kalkberge liegt bei solchen Lagen nochmals wesentlich höher als in ihrem Luv, und die Luftmasse wird durch das Absinken deutlich abgetrocknet.

  7. Davon profitiert auch die Thermik-Rennstrecke des Pinzgauer Spaziergangs und ihre östliche Fortsetzung (Dientener, Hochgründeck, Rossbrand...): diese mit um 2000 Meter relativ niedrigen Grasbuckel sind bei Nordstaulagen häufig die ersten Berge, die nicht in Wolken sind. Oft kann man hier bereits über Grat Thermikfliegen, während am Nordalpenrand die Basis noch unfliegbar tief ist oder sogar noch Stauniederschläge fallen.

  8. Erst im Luv des Alpenhauptkamms kommt es nochmals zu kräftigerer Staubewölkung. Seine Hebungs-Stufe genügt, um aus der schon ziemlich abgetrockneten Luftmasse nochmals die letzte Feuchtigkeit herauszukondensieren. Hauptkamm-Querungen bei Nord(stau-)lagen sind deshalb immer schwierig und schlecht planbar.

  9. Im Lee des Alpenhauptkamms schließlich fällt die Strömung großräumig; starker Föhneffekt sorgt für wirksame Wolkenauflösung. Die ungehinderte Sonneneinstrahlung wiederum sorgt für starke Thermik. In der trockenen Luft ist die Basis hoch; oft um fünfhundert Meter und mehr höher als im Norden. Wenn bei solchen Lagen eine Hauptkammquerung von Nord nach Süd gelingt, lohnt sie sich immer.

Wie kann man Nordstaulagen von Unterwössen aus fliegerisch nutzen?

Leider ist Nordstau die wohl häufigste Ursache für unfliegbares Mistwetter bei uns. Wenn aber das Wetter am Platz überhaupt einen Start zulässt, gibt es bei Nordlagen verschiedene Flugmöglichkeiten. Flachlandflüge im Rückseitenwetter wurden weiter oben schon besprochen. Interessante lokale Flüge kann man auch bei tiefer, dichter Staubewölkung im Hangaufwind des Alpenrandes (Position 2 im Bild oben) machen. Zwischen Hochries im Westen und Hochstaufen im Osten passt ein 50 km langer Schenkel, der ab etwa 1500 , lieber 1600 m MSL Basishöhe im Hangwind fliegbar sein dürfte. Rechnerisch wären so also 300 OLC-Kilometer möglich (Beispiel-Flug: https://www.onlinecontest.org/olc-3.0/gliding/flightinfo.html?dsId=6598740 , zweite Flughälfte ab ca. 13 Uhr UTC).

Es kann aber auch schon sehr spannend und befriedigend sein, bei Nordost-Stau im Hangwind um die Nordausläufer der Hochplatte bis ans Aschauer Tal und wieder nach Haus zu krabbeln; dafür genügt eine Basis von etwa 1000 m MSL (Beispiel-Flug: https://www.onlinecontest.org/olc-3.0/gliding/flightinfo.html?dsId=6358001 ).

Schließlich gibt es auch Beispiele für Flüge ins Hochgebirge bei (zu Ende gehenden, nicht mehr ganz so feuchten) Nordstaulagen. Der in der Zeichnung dargestellte stufenweise Basisanstieg von Position 1 bis 9 erlaubt manchmal schrittweises Vortasten in die Berge, obwohl die Wolken am Alpennordrand noch aufliegen. Den Alpenhauptkamm an einem solchen Tag erreichen oder gar queren zu können, ist ein unvergleichliches Geschenk (Beispiel-Flüge: https://www.onlinecontest.org/olc-3.0/gliding/flightinfo.html?dsId=6559996 und https://www.onlinecontest.org/olc-3.0/gliding/flightinfo.html?dsId=6527854 ).